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Eiermann-Tisch

Eiermann-Tisch

Das Tischgestell 1 mit raumdiagonalen Kreuzstäben war Egon Eiermanns zentraler Entwurf, der im Jahr 1953 entstand. Als Architekt benötigte man damals - noch weit vor dem Computerzeitalter - einen höhenverstellbaren Zeichentisch, dessen Tischplatte man optional auch schräg stellen können musste. Da die in den 50iger Jahren am Markt erhältlichen Gestelle Eiermann nicht gefielen, entwarf er schlicht und einfach selbst ein Modell nach seinen Vorstellungen. Diesen Tisch verwendete er dann nicht nur im eigenen Büro und Zuhause, sondern auch überall an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, wo Eiermann von 1947 bis zu seinem Tod 1970 als Professor lehrte.

Seitdem hat auch jeder seiner Studenten spätestens nach Ende des Studiums ein Gestell mit in die weite Welt genommen. Minimalistischer kann man ein Tischgestell nicht bauen und recht günstig war bzw. ist es noch dazu. Es war diese Mischung aus archetypischer Form, reduzierter Konstruktion und puristischer Gestaltung, die aus diesem Tischgestell ein Möbel macht, das auch heute nichts von seiner Genialität und Aktualität eingebüßt hat.

Um 1965 entstand eine zerlegbare Variante des Originalgestells, denn das fest verschweißte war schwieriger zu transportieren. Ein Assistent von Egon Eiermann hatte die Idee dazu. Der von ihm kontaktierte Schlosser hatte unwissend weniger Wert auf gestalterische Details gelegt, im Mittelpunkt standen eben die Zerlegbarkeit, eine einfachere Herstellung sowie ein noch günstiger Preis. Daher sind bei diesem Gestell die Kreuzstäbe nicht verschweißt sondern verschraubt und auch aufrecht im 90 Grad-Winkel montiert.

Das Originalgestell verschwand wegen seiner logistischen Schwächen eine Zeit lang. Zum Glück entdeckte Richard Lampert 1994 den "originalen Schatz", einigte sich ein Jahr später mit der Familie Eiermann auf einen Lizenzvertrag und erhielt für die Originalversion von 1953 die alleinigen Herstell- und Vertriebsrechte. Dann entwickelte er in Abstimmung mit den Erben eine zerlegbare Version des Originals, das in den Grundzügen formal dem Entwurf von 1953 entsprach. Er konnte wegen des raumdiagonalen Kreuzes die Halbrohre am Ende der Kreuzstäbe weglassen, die gestalterisch bei der Schlosservariante von 1965 als besonders unschön auffielen. Auch das Kreuz sollte wie beim Original in einer Ebene verschweißt sein und nicht Rücken an Rücken verschraubt, eine zwar billigere aber banalere Lösung des zerlegbaren Gestells von 1965.

In dieser Zeit entschied Richard Lampert auch zur Unterscheidung des Originalgestells von1953 und der ersten nicht von Eiermann stammenden Variante von 1965 die Begriffe "Tischgestell Eiermann 1" für das Original und "Tischgestell Eiermann 2" einzuführen. Davor war das Schlossergestell von 1965 nämlich als "Zeichentisch" benannt und nur in Architektenkreisen als solches bekannt. Erst durch die Aktivitäten von Richard Lampert wurden die als "Eiermann-Gestelle" oder "Eiermann-Tische" benannten Möbel ab 1996 in ganz Europa bekannt.

Beide Gestellvarianten sind mit Verlängerungsstäben zwecks Höheneinstellung ausgestattet. Die Stahlgestelle gibt es in verschiedenen Lackierungen sowie in einer verchromten Version. Ein Gummistopfensatz verhindert das Verrutschen der bewusst nur lose aufgelegten Tischplatten, die übrigens frei wählbar sind aber auch beigestellt werden können. Heute kommt der Eiermann-Tisch weniger als Zeichentisch denn als Schreibtisch (Eiermann 1) oder als Konferenztisch (Eiermann 2) in Frage. Ob im Büro des Architekten oder Ingenieurs, des Grafikers oder Künstlers, der kreativen Werbeagentur oder dem etablierten Museum. Die Eiermann-Tische sind überall dort zu finden, wo etwas bewegt und neu erdacht wird.

Je nach Ausführung ist der Tisch aber auch schon längst im privaten Wohnbereich zu finden, wie z. B. als Esstisch. Und seit einiger Zeit gibt es auch eine Kinderversion in zwei möglichen Formaten, wodurch ein dem Alter entsprechender, mitwachsender Kinderschreibtisch geschaffen wurde, der formal zu den schönsten seiner Art zählt. Aus Sicherheitsgründen ist in diesem Fall die Tischplatte fix mit den Verlängerungsstäben verschraubt.

© copyright prodomoWien/Hersteller, Autor: Werner Backhausen